„Freiwillige sind doch nur billige Arbeitskräfte.“
Diese Aussage ist schlichtweg falsch und ein Vorurteil, welches durch die von Bundespräsident Steinmeier wieder aufgeworfene Debatte über ein soziales Pflichtjahr befeuert wird. Es wird so getan, als ob Freiwillige nur in Branchen mit akutem Fachkräftemangel eingesetzt werden würden – also der Pflege oder in Krankenhäusern. Doch es gibt noch viel mehr Einrichtungen mit gemeinnützigem Hintergrund, was die einzige Voraussetzung für die Beschäftigung von Freiwilligen ist.
Ich wusste genau, dass ich nicht in den klassischen sozialen Arbeitsfeldern mit Betreuungs- oder pflegerischem Schwerpunkt arbeiten möchte. Doch in welchen Tätigkeitsbereichen und Einsatzfeldern kann man denn noch seinen Freiwilligendienst machen? Auf jeden Fall beim DRK Landesverband Sachsen e. V., bei dem ich seit September 2021 als Bundesfreiwillige beschäftigt bin. Neben Verwaltungstätigkeiten und Veranstaltungsunterstützung gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit zu meinen Aufgaben. Eines Tages kam der Suchdienstleiter zu mir und erzählte mir, dass er die Bekanntheit des Suchdienstes auch in Corona-Zeiten steigern möchte und dazu nun auf Social Media setzen möchte. Er schlug mir vor, dass ich einen Beitrag – als ersten einer regelmäßig erscheinenden Reihe – über die Verbindung Erich Kästners zum Kindersuchdienst nach dem 2. Weltkrieg schreiben könnte. Nachdem ich diesen Input erhalten hatte, legte ich sofort mit einer groben Recherche los. Mit dem Fortschritt des Projektes fand ich großen Gefallen am Recherchieren, Literatur durchforsten und Schreiben. Dabei wurde ich stets tatkräftig vom Suchdienstleiter unterstützt.
Wenn ihr Genaueres über die Arbeit des Suchdienstes nach 1945 erfahren wollt, dann könnt ihr gerne den nun fertigen, ersten Beitrag weiter unten lesen. Und wenn ich dadurch euer Interesse auf mehr geweckt habe, dann könnt ihr euch zukünftig jeden Monat auf einen Beitrag, der die systematische Suche nach vermissten Kindern durch Kriege und Konflikte bis in die heutige Zeit thematisieren wird, freuen. Sie werden auf dem Instagram- sowie dem Facebook-Profil des DRK Sachsen unter dem Hashtag #FamilieUnbekannt veröffentlicht.
„Flucht und Vertreibung waren während und nach des 2. Weltkrieges in Europa allgegenwärtig. Dabei wurden nicht selten ganze Familien auseinandergerissen, was gerade für Kinder bedeuten konnte, dass sie ihre Eltern nie wiederfinden würden.
Der Kindersuchdienst des Deutschen Roten Kreuzes kümmerte sich um die systematische Aufklärung des Verbleibes von vermissten Kindern bzw. deren Angehörigen und im besten Falle die Familienzusammenführung.
Auch die Jugendzeitschrift Pinguin hatte sich dies vorgenommen. Die Inhalte des Pinguin waren feuilletonistisch geschrieben und das übergeordnete Thema war stets, den durch die NS-Zeit geprägten Leser an demokratische Werte heranzuführen. Jeder Beitrag versuchte zum Nachdenken anzuregen und konnte als Angebot zur Selbsterziehung betrachtet werden. Dies war ganz im Sinne des Herausgebers, dem gebürtigen Dresdner Erich Kästner, bekannt als Autor von beliebten Kinderbüchern, wie ‚Emil und die Detektive‘ oder ‚Das doppelte Lottchen‘.
Unter anderem wollte er dem Leser durch die regelmäßige Veröffentlichung von Berichten über ‚Verlorene Kinder‘ in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Roten Kreuz aufzeigen, wo Engagement gebraucht wird. Die erste Folge erschien im 2. Heft des Jahrganges 1946 und richtete zudem einen Appell an die Leser, die diesen Bericht ‚besonders an alle Heimatlosen, die Flüchtlinge und Evakuierten in Stadt und Land‘ weiterreichen sollten, ‚denn unter ihnen sind ja die Eltern dieser Kinder zu suchen‘.
Die Aktion des Pinguin wurde im Juni 1946 ausgeweitet auf das Drucken und Aushängen von Plakaten, die einerseits die verlorenen Kinder und andererseits die Eltern, die ihre Kinder vermissten, zeigten. Im 7. Heft des Jahrganges 1946, circa einen Monat nach dem Aushang der Plakate, wurde schließlich über die ‚Erste(n) Erfolge unserer Suche‘ berichtet – eine Mutter fand ihre Tochter wieder und ein Junge wurde durch die Initiative von Lesern der Zeitschrift adoptiert. Simultan dazu schrieb Kästner in einem Brief an seine Mutter: ‚Hast du im ‚Pinguin‘ die Fotos ‚Verlorene Kinder‘ gesehen? Dadurch haben mehrere Eltern schon ihre kleinen Kinder wiedergefunden. Da zu helfen, macht große Freude!‘
Innerhalb von zwei Jahren wurden insgesamt 660 Bilder von verlorenen Kindern im Pinguin sowie auf Suchplakaten veröffentlicht – davon fanden 170 zurück zu ihren Eltern. Dieses Ergebnis wurde von der Redaktion als großer Erfolg gewertet.“
Mehr über meine Einsatzstelle erfahrt ihr übrigens in meinem ersten Blogartikel.
Text: Leonie Mehlhorn (DRK Landesverband Sachsen e.V.)
Foto: DRK Landesverband Sachsen e.V. (Dieses Bild ist vor ein paar Wochen im Rahmen der Fiaccolata (= Fackellauf) entstanden, bei der die Fackel nach der Art eines Staffellaufs von Rotkreuzgliederung zu Rotkreuzgliederung weitergereicht wird, um an die Anfänge der Rotkreuzbewegung zu erinnern.)