Schöne Landschaften, gemütliche Abende am Lagerfeuer, ein paar mehr oder weniger interessante Vorträge von mehr oder weniger interessanten Dozenten und halbwegs essbare Mahlzeiten in einer austauschbaren Jugendherberge. Das waren meine Erwartungen an die Seminarfahrt ins Elbsandsteingebirge. Allzu viel Euphorie war keinem der FÖJler anzumerken, als wir am Montagmorgen alle versammelt am Leipziger Hauptbahnhof in den Zug Richtung Dresden stiegen.

Als wir allerdings in Rathen ankamen und das idyllische Städtchen am Elbufer erkundeten und unser Blick auf die ehrfurchtgebietende Felsfront der Bastei fiel, besserte sich die Gruppenmoral ein wenig und wurde beim Anblick des kleinen Schlosses(!), in dem wir für die nächste Woche hausen würden, noch einmal auf ein ganz anderes Niveau katapultiert. Kleine Türmchen und bunte Bleiglasfenster zierten dieses, für uns FÖJler beinahe etwas zu glamouröses Domizil, dessen Lage einen einzigartigen Blick ins Elbtal erlaubte. Schnell entbrannte sogar bei den sonst zur Zurückhaltung neigenden Teilnehmern ein Klassenkampf um die besten Zimmer mit Erker, Balkon und Aussicht. Nachdem sich jeder ein Zimmer ergattert hatte und die obligatorische Begrüßungsrunde erfolgreich beendet war, ging es weiter zum Mittagessen, welches genauso wie alle nachfolgenden Mahlzeiten dieser Woche vegetarisch war und selbst meinem verwöhnten Gaumen schmeichelte. Doch nicht nur Kost und Logie überstiegen die Erwartungen, sondern auch die Dozenten hatten Themen gewählt und auf eine Art und Weise vorgetragen, die sowohl lehrreich, als auch spannend und relevant waren. Zum Beispiel wurden wir über die Konsequenzen, Risiken und Vorteile der Rückkehr der Wölfe in unsere Wälder informiert – um es kurz zu machen, es gibt nur Vorteile, keine Gefährdung für Mensch und Nutztier wenn einfache Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Alles was der Mensch machen muss um in Frieden mit Wölfen zusammen zu leben ist, die Wölfe in Ruhe zu lassen und nicht anzufüttern, da sich die Wölfe sonst an Menschen gewöhnen und sich auch in die Nähe von Siedlungen begeben, wo Hunde und Katzen (keine Menschen) dann leichte Beute für sie sind. Sonderlich viele Wölfe wird es auch nicht geben, da die Rudel riesige Territorien beanspruchen und es nicht mehr genug ungestörte Natur für sie gibt, in der sie sich ausbreiten können. Wenn sich die Reviere überschneiden, minimieren sich die Wölfe ganz einfach gegenseitig.

Ich wünschte, ich könnte, um diesem Blog nach außen hin mehr Objektivität zu verleihen, auch etwas Negatives über unseren Aufenthalt berichten, jedoch fällt mir beim besten Willen nichts ein, was es zu kritisieren gäbe und so komme ich jetzt zu dem einzigen Punkt, den manch einen vielleicht ein wenig gestört hat: Das Wetter. Ja, das Wetter war furchtbar. Kalt, nass, bewölkt und neblig – ich verstehe, warum manch einem dies nicht zusagt. Persönlich kann ich jedoch nichts Schlechtes an von Nebelschwaden verhangenen Gebirgszügen und tiefen Wäldern finden, in denen sich dunkle Schluchten auftun, in denen kein Geräusch außer das Plätschern eines Baches zu hören ist. Zwar tummelten sich natürlich an den Hotspots wie der Bastei die „kamerabehangenen“ asiatischen Bustouristen, doch auf Grund der Witterung trauten sich abgesehen von unserer Gruppe nicht viele Wanderer auf die rutschigen Grade des Elbsandsteingebirges.

Ich selbst bin schon oft dort wandern gewesen, jedoch immer nur bei brütender Hitze und strahlend blauen Himmel und so war es das erste Mal, dass ich den Nationalpark in dieser kühlen, mystischen, düsteren Stille gesehen habe. Ein Ambiente, welches meiner Meinung nach der ursprünglichen und wilden Natur der Sächsischen Schweiz viel eher gerecht wird als eine Schönwetterwanderung inmitten von Heerscharen aus lauten und störenden Menschen.

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in einem überfüllten Café in der überfüllten Leipziger Innenstadt und mir wird bewusst, wie friedlich und frei ich mich auf diesem Gipfel wirklich gefühlt habe. Es sind Erfahrungen wie diese, die das Leben lebenswert machen und ich bin unendlich dankbar dafür, dass das FÖJ mir eben diese so zahlreich ermöglicht hat. Dass es nicht nur mir so erging, wurde spätestens dann klar, als ich und neun andere FÖJler beschlossen, nach dieser ca. fünfstündigen Wanderung nicht zehn Minuten mit dem Zug zurück ins Schloss zu fahren, sondern dafür weitere drei Stunden im Regen an der Elbe entlang nach Hause zu laufen. Eine weitere, wunderschöne Erfahrung voller guter Gespräche und anderer … lustiger… Zwischenfälle.

Auch Max und Ingo waren wieder mit von der Partie, die besten Teamer der Welt und haben wieder alles daran gesetzt, den Aufenthalt für uns so angenehm und lehrreich zu gestalten wie möglich – und dies mit Erfolg. Ein Highlight war für mich neben der atemberaubenden Bergwelt auch das Feuermachen mit Feuerstein und Stahl. Eine Methode, die schon seit Jahrhunderten angewendet wird und die überraschend effektiv und einfach zu beherrschen ist (ich habe es zu meinem eigenen Verblüffen beim ersten Anlauf geschafft, ein Feuer zu entfachen). In der Nacht von Donnerstag zu Freitag schliefen wir unter freiem Himmel mitten im Wald, unser einziger Schutz bestehend aus einem überhängenden Felsen und einem Schlafsack. Es mag sein, dass einige aus unserer Gruppe zu laut waren und wieder muss sich der Autor dafür entschuldigen, anderen den Schlaf geraubt zu haben, doch finde ich, dass dies aufgrund der Tatsache, dass es der letzte Abend einer magischen Woche mit Leuten, die in so kurzer Zeit zu guten Freunden geworden sind war und diesen stillschweigend in der Schwärze der Nacht ausklingen zu lassen, hätte sich meiner Meinung nach einfach nur falsch angefühlt und wäre dem Seminar nicht gerecht geworden. Schweren Herzens und schweren Schädels (die Ursache für Letzteres soll in diesem Artikel nicht weiter ausgeführt werden) stapften wir noch im Morgengrauen zurück in unser Schlösschen, wo wir zum letzten Mal gemeinsam frühstückten und dann schließlich abreisten.

Der Abschied von den anderen FÖJlern, der wunderschönen Umgebung und nicht zuletzt dem Schloss viel zwar schwer, jedoch freute ich mich, von Gestrüpp und Ästen zerkratzt, mit wund geriebenen Knöcheln und Muskelkater überall wieder auf mein eigenes, federweiches Kingsize Bett mit einer 2×2 Meter Decke, auf meine Kaffeemaschine, meinen Mitbewohner und das Stadtleben. Trotzdem hat mich die Sächsische Schweiz seit dem Seminar nicht mehr losgelassen und ich werde auf jeden Fall dorthin zurückkehren, sobald sich die Gelegenheit bietet, um die Schluchten und Berge, Täler und Flüsse wiederzusehen, die ich in nur einer Woche so lieb gewonnen habe.

Text und Foto: Clemens Kühn (Träger: Ökostation Borna Birkenhain e.V. – EST: Amt für Stadtgrün und Gewässer)

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