Kann man ein FSJ mit einer Behinderung machen? Klar, solange es die Barrierefreiheit der Einsatzstelle zulässt (und das tun viele), ist das eine große Chance!

Mein Name ist Anni, ich bin 19 Jahre alt und habe eine Schwerbehinderung, die meine Sicht stark einschränkt. Durch mein geringes Sehvermögen und die damit verbundenen Konsequenzen werden mir einige Berufswege verwehrt bleiben, da ich beispielsweise keinen Führerschein machen kann. Trotzdem ist die Anzahl der Möglichkeiten ziemlich groß. Also stellte auch ich mir die Frage: Was möchte ich nach der Schule machen? Meine Leidenschaft liegt schon viele Jahre im Theater, aber kann ich da auch beruflich tätig sein? Um das herausfinden zu können, gibt es nur einen Weg: praktische Erfahrungen sammeln! Im Sommer 2020 bin ich von Zuhause ausgezogen und habe mein Freiwilliges Kulturelles Jahr am Staatsschauspiel Dresden in der Dramaturgie begonnen. Anfangs hatte ich einige Bedenken: Schaffe ich es allein, meinen Alltag zu regeln? Wie weit werde ich auf meiner Arbeit eingeschränkt sein? Was ist, wenn ich auf zu große Probleme stoße? Finde ich mich in der Einsatzstelle zurecht?

Das hat mir teilweise ziemlich viel Angst und Unsicherheit bereitet. Da ich erst einmal in meiner Heimatstadt geblieben bin und meine Einsatzstelle schon etwas kannte, musste ich nicht komplett bei null anfangen, was mir ziemlich geholfen hat. Ich konnte mir noch kaum vorstellen, in eine ganz andere Stadt zu ziehen. In der Einsatzstelle begegneten mir die Kollegen sofort sehr offen und freundlich. Wieder einmal wird deutlich, dass Kommunikation alles ist. Wenn sie oder ich Fragen haben, werden die gegenseitig gestellt. Und nach einiger Zeit mit Wege ablaufen und Computer einrichten komme ich auch im Büro super zurecht. Durch den Lockdown fallen leider viele Aufgaben weg und ich bin oft im Homeoffice. Darum bin ich umso dankbarer für die Dinge, bei denen ich Erfahrungen sammeln kann. So zum Beispiel die Hospitanz im Herbst 2020, bei der ich in der Vorbereitung und auf den Proben einer Inszenierung viele wertvolle Eindrücke sammeln konnte. Meine Behinderung sorgt zum Beispiel dafür, dass ich mich weniger zurechtfinde und im Allgemeinen mehr Zeit brauche. Schilder und Beschriftungen kann ich oft nur schwer und mit geringem Abstand erkennen. Weiterhin bekomme ich vor dem Bildschirm schneller Beschwerden wie Kopfschmerzen und Sichtprobleme. Durch das FSJ weiß ich viel genauer Bescheid, was ich wie gut meistern kann. Wie viel mehr Zeit muss ich mir bei Bibliotheksgängen einplanen? Wie mache ich Bildschirmpausen? Das und vieles mehr sind Dinge, die ich ausprobiere. In meiner Einsatzstelle wird mir immer Zeit und Ruhe dazu gegeben. Dazu kommt das Regeln des Alltags wie Behördengänge, Arztbesuche, Einkaufen, was ich alles trotz mehr benötigter Zeit lerne, unter einen Hut zu bekommen. In den Seminarwochen lerne ich unglaublich tolle und offene Menschen kennen. Keiner gibt mir das Gefühl, dass ich anders bin. Ich kann offen über meine Behinderung sprechen. All das gibt mir Kraft und Zuversicht für die Zukunft und mittlerweile kann ich mit Stolz sagen:

Ich freue mich darauf in eine andere Stadt zu ziehen und meinen Weg zu beginnen, auch wenn ich auf einige Probleme stoßen werde.

Text und Foto: Annika (FSJKultur, LKJ Sachsen e.V., beim Staatsschauspiel Dresden)

Ein FSJ mit einer Behinderung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert