Was machen eigentlich Landessprecher*innen das liebe lange Jahr über? Diese Frage stellen sich nicht nur Freiwillige, die mal etwas über dieses Amt gehört haben, sondern auch die Sprecher*innen, die sich der Herausforderung stellen, das Amt mit Leben zu füllen. Natürlich hat man die Möglichkeit, ehemalige Landessprecher*innen zu fragen, was sie so gemacht haben und auch aus der Fachstelle gab es alle Unterstützung, die man sich wünschen konnte, doch der Grundtenor war immer gleich: Das ist Euer Jahr, Ihr entscheidet, was Ihr daraus macht, setzt Euch für die Interessen Eurer Mitfreiwilligen ein. Uns einzusetzen für die Interessen der anderen Freiwilligen, das klang sinnvoll, dafür waren wir ja auch gewählt, das wollten wir machen. Doch nun die nächste Frage: Wir sind elf Landessprecher*innen, ist unsere Meinung wirklich die von über 3.000 Freiwilligen? Und wenn nicht, was ist dann die Meinung der Freiwilligen?

Um diese Fragen für uns zu klären, und vor allem um unseren Nachfolger*innen eine Arbeitsgrundlage zu hinterlassen, die auf Zahlen basiert und ihnen die Argumentation erleichtert, haben wir für den Freiwilligenjahrgang 2019/2020 eine große Umfrage durchgeführt.

Vom 17.06.2020 – der Start war eigentlich zur Landesaktionswoche am 21.04. geplant, verschob sich aber aufgrund des Corona-Durcheinanders – bis zum 31.07.2020 haben 619 Freiwillige an der Befragung teilgenommen. Das ist aus verschiedenen Gründen großartig: Zum einen haben wir nämlich mit dieser Umfrage ca. 20 % aller Freiwilligen in Sachsen erreicht, was eine hervorragende Rücklaufquote ist, zum anderen haben wir diese Zahlen über unsere eigenen Kanäle erreicht, ohne Umwege über Träger oder Einsatzstellen, was auch verdeutlicht, wie gut vernetzt Freiwillige untereinander sind.

Die statistischen Ergebnisse decken sich einigermaßen mit den Daten der Träger und der Fachstelle: Knapp zwei Drittel der Teilnehmenden identifizieren sich als weiblich, ca. ein Drittel als männlich.

Die meisten Teilnehmenden gaben an, ein allgemeines FSJ oder ein FÖJ zu machen, kleinere Anteile machen das FSJ Politik oder auch das FSJ Pädagogik und der BFD aus. Gut ein Drittel der Befragten ist im pädagogischen Bereich tätig und rund 20 % arbeiten in einem weißen Beruf, also in der Kranken-, Behinderten- oder Altenpflege. Aus diesen Zahlen lässt sich eine gewisse Repräsentanz der Befragung für den Freiwilligendienst in Sachsen ableiten.

Doch nun zu den eigentlich interessanten Ergebnissen der Umfrage: Was wollen die Freiwilligen?

  1. Die Bezahlung der Freiwilligen,
  2. die Arbeitszeit der Freiwilligen,
  3. die Anerkennung des Freiwilligendienstes und
  4. die Qualität der Einsatzstellen, der Betreuung und der Seminare.

 

  1. Die Bezahlung der Freiwilligen

Es gibt eine gespaltene Meinung darüber, ob das Taschengeld ausreicht oder nicht. Insgesamt sagen gut 40 % der Befragten, dass ihnen das Geld reicht, im FÖJ sogar fast 50 %. Bei Freiwilligen aus Pflege und Gesundheitswesen (ähnlich viele Teilnehmende an der Umfrage, wie aus dem FÖJ) ist dies lediglich bei gut 25 % der Befragten der Fall. Das kann zum einen an unterschiedlicher Unterstützung seitens der Träger und Einsatzstellen liegen, zum anderen schlägt sich natürlich die Lebenssituation der Freiwilligen auf diese Einschätzung nieder. Wer während des Freiwilligendienstes allein wohnt, dafür vielleicht sogar aus- und/oder umgezogen ist, lebt in einer anderen finanziellen Situation als die*derjenige, die*der noch bei den Eltern wohnt.

 

  1. Die Arbeitszeit der Freiwilligen

Bezeichnend ist auch, dass mehr als die Hälfte der Befragten einen Freiwilligendienst in Vollzeit, d.h. in der Regel 40 Wochenstunden, als nicht angemessen empfinden. Das liegt aber keineswegs an der Faulheit der jungen Menschen, die den Freiwilligendienst absolvieren. Vielmehr zeichnet sich in den Kommentaren das Bild ab, dass diese 40 Stunden gar nicht sinnvoll gefüllt werden können. Die fest Angestellten in den Einsatzstellen arbeiten in solchen Fällen weniger, als der*die Freiwillige. Ebenso leidet die Idee, den Freiwilligendienst zur Persönlichkeitsentwicklung und Förderung, zur Orientierung und zur Ausrichtung des eigenen Lebens zu nutzen, unter dem stumpfen Absitzen von Stunden.

Ganz wichtig an den Punkten eins und zwei ist, dass sie in Kommentaren fast immer zusammenhängend erwähnt werden. Dort heißt es oft: „Mehr Geld oder kürzere Arbeitszeiten“. Es wird kritisiert, dass die Freiwilligen mehr arbeiten (müssen) als das Fachpersonal und unangemessen schlechter bezahlt werden. Als Ausgleich wird selten beides gefordert, sondern in den meisten Fällen entweder eine Erhöhung des Taschengeldes, um den ungerechten Mehraufwand zu kompensieren, oder eine Verringerung der Arbeitszeit, um das Arbeitszeit-Geld-Verhältnis fairer zu gestalten.

 

  1. Die Anerkennung des Freiwilligendienstes

In diesem Feld gibt es einen großen Konsens unter den Befragten: Das private Umfeld erkennt die eigene Arbeit und den Freiwilligendienst an und würdigt sie, von „der Gesellschaft“ fühlen sich viele jedoch nicht gesehen. Das ist, so die Rückmeldung vieler Träger, schon länger ein Problem, an welchem gearbeitet wird und welches als Stellschraube zu vielen Fragestellungen im Freiwilligendienst gesehen wird: wenn die Arbeit, die die Freiwilligen machen, wertgeschätzt würde, müsste man sich nicht mehr wegen ausreichender Vergütung bzw. verträglichen Arbeitszeiten streiten.

Ein großer Wusch der Befragten und ein dickes Brett, an dem schon seit Jahren gebohrt wird, ist das Thema „Frei Fahrt für Freiwillige“. Seit August 2020 sind auch Freiwillige im landesweiten Azubiticket enthalten. Dessen Preis liegt bei 48 €/Monat für eine Tarifzone und geht in fünf-Euro-Schritten hoch bis auf 68 € für ganz Sachsen. Dass das Azubitickt für Freiwillige zugänglich gemacht wurde, ist ein großer Durchbruch im Thema „Freie Fahrt“, zum einen, weil die Freiwilligendienste endlich gesehen werden und zum anderen, weil es immerhin in einem Preisrahmen liegt, der nicht höher ist, als die Fahrtkosten, die die Freiwilligen laut unserer Umfrage im Mittel sowieso schon haben (54 €/Monat). Doch es ist auch nur ein erster Schritt. Das Abomodell mit zwölf Monaten Mindestlaufzeit ist für die Freiwilligendienste unpraktisch, vielleicht sogar abschreckend, wer nur in der Stadt pendelt kommt mit einem Monatsticket der DVB z.B. immer noch günstiger und wenn man theoretisch lange über Land pendelt, fehlt oft die Infrastruktur und das Auto ist flexibler und zuverlässiger.

 

  1. Qualität der Einsatzstellen, der Betreuung und der Seminare

Einige Freiwillige hätten gerne mehr Seminare, andere weniger, dort lässt sich kein eindeutiges Bild erstellen. Auch die Qualität der Seminare wird sehr ausgeglichen als gut oder verbesserungswürdig eingestuft.
Ein gewisser Grund zur Sorge sind jedoch Kommentare zur Betreuung in der Einsatzstelle. Dort gab es einige Befragte, die aus verschiedenen Gründen keine oder unzureichende Betreuung erfuhren. Sei es, weil Anleiter*innen ersatzlos langzeitkrank, in der besonders wichtigen Einarbeitungsphase im Urlaub oder auf Grund von Personalmangel schlichtweg nicht vorhanden sind. Dies ist für Freiwilligendienste, die jungen Menschen die Möglichkeit zur Entwicklung ihres Selbst geben möchten, die auch gewisse Qualitätsansprüche an sich selber haben, schlicht inakzeptabel.

Natürlich ist hier auch zu bedenken, dass die Umfrage durchgeführt wurde, als die erste Corona-Welle gerade einigermaßen überstanden war und sich für viele Einsatzstellen die Frage stellte, wie es weitergehen kann.

 

Liebe zukünftige Landessprecher,

nun ist es an euch, die Ergebnisse der Umfrage zu nutzen. Nehmt sie und macht die Freiwilligendienste in Sachsen noch besser, als sie ohnehin schon sind. Vor allem: nutzt auch das Mittel der Umfrage, schaut, was euren Jahrgang bewegt. Macht sich das Azubiticket schon bemerkbar?  

Wir, haben als Landessprecher*innen einen Brief an euch und eine Handreichung zum Thema „Probleme im Freiwilligendienst“  erarbeitet, welche wir euch in die Hand geben möchten. Vermutlich habt ihr diese auch schon erhalten. Bei weiteren Fragen kommt gerne auf uns zu.

Wir freuen uns schon, euch kennenzulernen! (Sollte dies im Dezember gefahrlos möglich sein)

Hannah Probst und Malte Limberg

Landessprechende 2019-2020

Was machen eigentlich Landessprecher*innen das liebe lange Jahr über?

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