Wir haben es satt!

Die Sonne scheint, die Straße des 17. Junis ist abgesperrt und der Weg bis in die Menschenmassen ist ungewohnt leer und ruhig für Berlin. Ich laufe an 170 Traktoren vorbei, die mit Bannern und Lautsprechern und Zitaten geschmückt sind. Angekommen bei der Versammlung der diesjährigen “Wir haben es satt” Demo sind zehntausende Menschen mit Flaggen und Plakaten mit schlauen Sprüchen drauf, die man sich gar nicht alle merken kann. Die Menschen hier sind sehr kreativ, vom Schwein- und Entenkostüm, über einen kleinen Chor mit thematisch passenden Liedern, bis über einen Plastikvogel im Haar eines kleinen Mädchens. Familien, Kinder, junge und alte Menschen, Bäuerinnen und Bauern sowie Umweltverbände aus ganz Deutschland haben sich an diesem Samstagmittag zusammengefunden, um für eine gerechtere, ökologischere und sozialere Landwirtschaft und Agrarpolitik zu demonstrieren.

Es geht los

Über 35000 Menschen demonstrieren vor derm Bandenburger Tor.
In Berlin haben am 19.01.2019 über 35.000 Menschen für eine bessere Agrarpolitik und mehr Unterstützung für ökologische Landwirtschaft demonstriert.

Als der Zug sich endlich los bewegt, sehe ich nach einer Weile einen ehemaligen Mitschüler von mir an einer Laterne stehen. Unweigerlich muss ich an einen anderen Klassenkameraden von mir denken, der immer der festen Überzeugung war, dass Demos nichts bringen. Ich überlege kurz. Die Demo macht Spaß und es ist eine tolle Stimmung und es ist schön, von so vielen Menschen umgeben zu sein, die ähnliche oder auch gleiche Werte und Ideale verteidigen, wie man selbst. Dann schaue ich im Internet nach, seit wann die “Wir haben es satt” Demo stattfindet. Zum neunten Mal also. Ich war die Jahre davor nicht dabei, aber was ich aus den Reden die gehalten wurden heraushören konnte ist, dass sich nicht viel geändert hat seit der ersten Demonstration.

Auch ein bisschen Gaudi

35.000 Menschen haben sich versammelt, haben Schilder gebastelt, sich Sprüche überlegt, sind den ganzen Tag in Tierkostümen durch die Straßen spaziert, sind über Tage mit ihren Traktoren angereist. Für Agrarministerin Klöckner alles “ja auch ein bisschen Gaudi”. In einem Interview in den Tagesthemen erzählt sie, dass Politik nicht auf der Straße gemacht werden würde, sondern indem man Lösungen findet. Das Versammlungsrecht sei richtig und sie freue sich, – weil “diese Demo findet seit Jahren statt, egal wer Agrarminister ist, egal welche Entwicklungen es gegeben hat.” Das alles sagt sie mit einem breiten, unbesorgten Grinsen. Ich frage mich, wie denn die Lösungen gefunden werden. Wie kann man sich als Bürgerin einbringen, wenn Politik nicht auf der Straße gemacht wird? Ich fühle mich schon etwas unbeholfen und frage mich, was sich denn überhaupt politisch getan hat und was sich tut. Wenn 35.000 Menschen nicht genug sind, was dann?

Aber auch wenn die Agrarrevolution wahrscheinlich dieses Jahr wieder ausgeblieben ist und es immer noch nicht “Apfelmus statt Kapitalismus” gibt, erinnere ich mich daran, dass ich an diesem Samstag in Berlin, von dieser Anzahl an Menschen umgeben war, und es 35.000 einzelne Menschen waren, die sich für eine gute Sache eingesetzt haben. Und es können nur mehr werden.

Alina Gräf-Shymova

Naturschutzjugend Dresden
Gruppensprecherin Paritätische Freiwilligendienste Sachsen

35.000 Menschen haben es satt – und wen interessierts?
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